Spass muss sein!

Überblick über die zentralen Aufgaben eines Directeur sportifs

Die Ausgangslage ist einfach: Drei Menschen verschiedenen Geschlechts, zwei aus dem Glarnerland, einer aus dem Kulturkanton, unternehmen eine längere Reise. Zwei im bequemen Auto, einer auf dem Velo. Auf dem Dach des voll geladenen Autos ein weiteres Rad, quasi als letzte, eiserne Reserve.

Humor-Strategie mit Anna.

Alle drei, eine Frau (Sibyl) und zwei Männer (André und Walter P.) haben etwas gemeinsam: Alle wollen nach Nizza baden gehen. So weit – so gut. Der wesentliche Unterschied: Einer muss  eine erhebliche körperliche Leistung mit vielen störenden Nebenerscheinungen (Kälte, Regen, Schnee, Hagel, Hitze, Wind, Hunger, Durst) auf sich nehmen. Die beiden andern rollen im gekühlten oder geheizten Lehnstuhl mit.

 

Der geneigte Leser sieht das Problem völlig richtig. Bei diesem Trio sind die Aufgaben nicht gerecht verteilt. Zwei Zuschauer und einer, der zupackt, das kann nicht gut gehen. Kommt erschwerend neben der Zahl drei dazu, dass nur einer (der Profi) genau weiss, um was es überhaupt geht. Und derjenige ist nicht der, der krampfen muss.

 

Das genau war vor dem Start mein Problem. Die Frage lautete: Was kann ich unternehmen, dass der, der krampft und leidet etwas bekommt, was ich geben kann. Soweit alles klar? Da gabs für mich nach ellenlanger und reiflicher Überlegung nur eine Lösung: Ich musste in die Opferrolle steigen. Den veritablen Trottel spielen. Tollpatsch sein, unbeholfen, weltfremd, komisch bis zum geht nicht mehr. Ein Löli eben, wie er im Buch steht. Jemand, über den man sich während dieser Tour halb todlachen konnte. Jemand, dem ununterbrochen etwas passiert, das die andern köstlich amüsiert. Und alles glaubhaft natürlich. Absolut glaubhaft.

 

Das blöde daran war nur die Tatsache, dass den Löli spielen gar nicht so einfach ist. Immer wieder neuer «Stoff» war gefragt, die ganze Sache musste Zug haben und durfte unter gar keinen Umständen durchschaut werden und aus dem Ruder laufen. Und hinter jedem neuen «Gag» musste selbstverständlich ein Krümchen Wahrheit stecken.

 

Vorausschicken muss ich im in diesem Zusammenhang, dass der Leidende (mein Siegfahrer) und die Mitfahrende (Steinsuchende und Profifotografin) beide über eine gehörige Portion Humor verfügen, wenn auch völlig anders gelagert. André liebt ihn, versprüht ihn selbst, sucht ihn wie das Salz in der Suppe. Er würde vermutlich ohne Humor zum seelischen Krüppel verkommen. Sibyl leiser, stiller, innerlicher, mehr Richtung Humor als tägliche Nahrung. Gute Opfer also, prächtige Opfer.

 

Mein Ziel war klar umrissen: Zwei Mal am Tag, beim Frühstück und beim Abendessen sollte Fröhlichkeit auf dem Programm stehen. Gelächter musste über dem Raum schweben. Humor als erste Platte. Das sollte Kraft geben für den Tag, Moral für Berg, Beine, Herz und Seele. Soweit alles klar? Einen gehörigen Teil meiner Tour-Freizeit habe ich in diese Humor-Suche investiert. Aber es hat sich gelohnt. Mit Zins und Zinseszins.

 

Zudem hatte ich unverschämtes Glück. Mit fielen die erheiternden Dinge buchstäblich in die offenen Hände. Denn als Grundmunition hatte ich ja eigentlich nur meine angeborenen, riesigen und vor allem abstehenden Ohren, die natürlich allein schon zu täglichen Lachsalven Anlass gaben. Dazu kamen aber ungewollt und unpräpariert Geschenke wie das Verfahren mit dem Auto, die Sache mit dem Koffer – und natürlich Anna.

 

Bleiben wir bei Anna, damit man meine profihafte Humor-Strategie auch richtig versteht. Hocke ich doch in meinem schönen Zimmer in Andermatt und hirne über einer Portion Humor für meinen Siegfahrer. Stürmt doch ein Mann in mein Zimmer und entschuldigt sich tausendmal. Weg ist er. Soweit die Wahrheit. Nichts als die Wahrheit. Der Rest eine frei erfundene Geschichte. Mit sehr viel Phantasie geboren, gestählt durch jahrzehnte lange Routine beim Blick, fällt es mir natürlich nicht schwer, ein Erlebnis mit Hand und Fuss zu konstruieren. Anna wird geboren. Und abends beim Essen serviert.

 

Während André kaputt von den Strapazen der Schöllenen am Tisch hängt und Sibyl ganz und gar unglarnerisch nervös im Salat stochert, lege ich los mit dem Mann, der seine Frau Anna ausgerechnet in meinem Badezimmer suchte. Das Ergebnis ist sensationell. Gelächter hängt wie eine Glocke über unserem Tisch. Müdigkeit, Kummer und Angst vor der nächsten Etappe sind wie weggewischt. Ich drehe weiter am Thema Anna, lasse gekonnt weitere Fragen im Raum stehen. Der wiederauferstandene Siegfahrer zieht mit. Und bei Sibyl schleichen sich wunderschöne Humorfalten ins Gesicht. Der Tag ist gerettet. Humor regiert statt Streit. Ziel erfüllt.

 

Und der Clou der Geschichte – es ist Tapir, der die Anna-Geschichte weiter zieht. Kauft er mir doch zwei Tage später in Aosta eine Sechser-Packung Mineralwasser mit dem klingenden Namen «St. Anna». Damit ich auch im Ausland ein Andenken an Anna hätte, meint der lange Velofahrer fröhlich und brüllt vor Lachen.

 

Und was lernt der Leser aus dieser ganzen Geschichte? Die Tatsache, dass ein guter Directeur sportif weit über die sportlichen Grenzen hinaus gehen muss. Trainer, Arzt, Psychologe und Pfarrer in einer Person quasi. Auch wenn das ein gewisser, mässig begabter Sportler mit Stadtwohnung in Zürich und Feriendomizil in Glarus nicht wahrhaben will. Dänische Kisten sind auch nur aus Holz gebaut...