Glarner Spitzensportler

Reminiszenzen vom Directeur sportif, Prof. Walter P. Hottiger

Genau genommen, bin ich eigentlich ein winziger Edy Naegeli. Gott hab’ ihn selig. Er war es, der auf einer seiner berühmten Ausfahrten in den unergründlichen Seitentälern des Zigerschlitzes auf das blutjunge Naturtalent Fritz Künzli stiess. Jener Fritz, der heute am mächtigen Busen von Monika seine Sorgen vergisst, der unter Naegelis Fuchtel und die seiner Trainer zu einem der besten Schweizer Fussballer aller Zeiten wurde. Vermutlich der allerbeste «Einkauf», den der geniale Präsident des FC Zürichs jemals tätigte.

Hinterhof-Romantik in Savoyen.

Auch ich bin im Glarnerland fündig geworden. Mein Talent – wenn auch nicht mehr ganz blutjung – heisst André Maerz (auf dieser Homepage besser bekannt als Tapir der Siegfahrer) und gehörte zur Zunft der Velo-Sonntags-Sportler. Das war vor ziemlich genau 6 Monaten. Velofahrer ist der Tapir geblieben. Den Sonntag habe ich gestrichen und daraus ein Sieben-Tage-Fahrer gemacht. Mit der innbrünstigen Hoffnung, dass mein ellenlanges Talent irgend einmal so etwas wie ein Amateur-Fahrer wird.

 

Um der ganzen Sache einen winzigen Hauch von Professionalismus zu verleihen, haben wir uns jetzt über die engen Schweizer Grenzen hinausgewagt. Um in einer Nation am Berg und in der Ebene zu trainieren, die den Namen Velo-Nation auch verdient. Tapir ist ein wahres Talent. Lernfähig bis zum geht nicht mehr, rüsselt er durch den französischen Wind, lernt erstaunlich schnell die erbarmungslose Kälte am Berg kennen, sehnt sich wie ein Profi nach Wärme und Sonne. Er flucht und lästert wie ein Champion - und sein weltweit gefürchteter Zynismus nimmt Formen an, die alle Ketten sprengen. Apropos Kette: Um die perfekte Vorbereitung der eher leicht einzustufenden Tapir-Tour zu demonstrieren sei vermerkt, dass in den bisherigen fünf Etappen kein einziger noch so kleiner Defekt zu vermelden war. Der Siegfahrer hat lediglich am jeweiligen Ruhetag die Aufgabe gefasst, seinen Villiger zu ölen und ein bisschen abzustauben. Unter meiner Aufsicht – versteht sich. C’est tout!

 

Soviel zur Tour. Noch ein Wort zur Fundgrube Glarus. Neben Fussballer Künzli und Radfahrer Maerz hat das Glarrnerland noch einen andern grossartigen Sportler hervorgebracht, der mir die schwerste Radsport-Niederlage aller Zeiten zugefügt hat. Sein Name: Fridolin Luchsinger. Heute Mitglied der Ringier-Konzernleitung, war Frido in früheren Zeiten (so um 1970 herum) nicht nur ein begnadeter Reiter sondern auch Velofahrer. Und ein Fan von Wetten jeder Art.

 

Und so kam’s, wies kommen musste. Die Wette hiess: Allmend Brunau – Albis-Pass, mit Durchfahrtsprämie in Adliswil. Wer siegt, kassiert. Vorbereitungszeit 1 Woche. Pro Mann 1 Begleitfahrzeug mit frei zuwählendem Directeur sportif. Luchs griff – wie immer – zur grossen Kelle und engagierte niemand geringeren als Ferdy-National Kübler. Ich begnügte mich aus freundschaftlichen Gründen mit der absoluten Rad-Niete Mario Widmer (heute Martina-Hinggis-Manager). Muss ich weiter schreiben? Fest steht, dass ich mit einem Blitzstart Luchsinger stehen liess und mit rund 2 Minuten Vorsprung in Adliswil die Prämie (eine Harrasse Aprikosen) holte. Beim Aufstieg zum Tierpark wurde die Sache anders. Ganz anders. Der Glarner kam, kam immer näher. Und mit ihm Kübler. Schreiend, brüllend. Eben ein Profi! Mario in seinem nigelnagelneuen Mustang blieb dagegen stumm wie ein Fisch. Hat wohl einer Blondine nachgeschaut, die hüftschwingend mit praller Oberweite durch den Sommertag stolzierte. Dann war Fridolin auf gleicher Höhe – rechts natürlich, der Fuchs. Betrachtete mich eine Sekunde aus seinen schlauen Glarner-Augen und ging aus dem Sattel. Ich an sein Rad. Leider nicht lange. In der ersten S-Kurve war das Loch da. Und was für eines. Albis-Passhöhe: Klarer Sieger Luchsinger. Undiskutabel. Den Abstand weiss ich nicht mehr – aber es waren Minuten. Welten...

 

Die Lehre daraus gefällig? Wer Sport betreibt und aus dem Glarner Land kommt, dem steht die berufliche Welt offen. Wenigstens die Ringier-Welt.

 

Fridolin Luchsinger, mein Albis-Bezwinger, hat’s vom BLICK-Sportchef in einem fulminanten Raketen-Aufstieg in die oberste Etage des Hauses geschafft.

 

André Maerz, mein Siegfahrer, sitzt längst im obersten Kader und schaut als Verwaltungsrat verschiedener, Ringier nahe stehenden Firmen – so auch der PREVION (das Haus für die besten Computer-Programme und Sponsor dieser Tour) – dem arbeitenden «Fussvolk» genau auf die Finger.

 

Der dritte Ringier-Glarner, Daniel Kistler (bisher nicht erwähnt, weil eher unsportlich – dafür mit glänzender Militär-Karriere) rotiert ebenfalls als unermüdlicher Projektleiter in obersten Gefilden. Nur eben beim Sport hat der blitzgescheite Rüstungschef der Firma einen andern Weg eingeschlagen. Eher einen passiv-theoretischen. Als langjähriger Präsident der Damen-Volleyball-Mannschaft Glarus war Dani für alles zuständig – ausser für Sport. Jahrelang und brillant. Heute noch wischen gestandene Hausfrauen im Glarnerland eine versteckte Träne aus den Augen, wenn sie an ihren Präsidenten denken. Und kalte Schauer (ähnlich wie dem Tapir in den eisigen Pässen – wenn auch aus anderen Gründen) laufen ihnen bei diesen Gedanken über den Rücken...