Am Wegrand

Erste Annäherungen ans Thema durch die Pressechefin

OK, ich habe es begriffen. Obwohl, unversucht habe ich es wider besseren Wissens nicht lassen wollen. Hätte ja sein können, dass sich Walter P. Hottiger doch auf ein anderes Thema als das eine eingelassen hätte. Meine bescheidenen botanischen Kenntnisse über Schachtelhalme und Farne, über „pflotschnasse Platschgen“ und Föhren, die auf dem Urnerboden schon länger heimisch sind, als es Velofahrer gibt, die sich da hinaufkämpfen, stossen auf extrem viel weniger Begeisterung, als der nicht minder pflotschnasse Schnauzträger, der hier immer noch fröhlich wirkt.

Mit so einer Kutsche kam Goethe 1775 in unser Hotel nach Andermatt.

Es ist schön hier oben. Über der Baumgrenze stehen kleine auf steinigem Grund gebaute Hüttchen. Auf der Passhöhe gehe ich André entgegen. Unten an der Treppe zum Restaurant wachsen viele bunte Bergblumen, unter anderem ragen ein paar fast dreissig Zentimeter hohe Disteln in den Weg hinein. Die Pflanzen in dieser Höhe haben nicht lange Zeit, sich ob dem Sommer zu freuen. Und der kann wahrlich hart sein, eisig kalt mit undurchdringlichem Nebel. André wird dies jedem bestätigen der es hören möchte - und wer will es nicht hören...

 

Die Nichtglarner können es nie verstehen, wie man zwischen Glärnisch, Wiggis und Schilt leben kann. Wer aber durch das Urnerland fährt, wird das Glarnerland als wohltuend weit erleben. Die verstopfte Autobahn, die stark befahrene historische Strasse, die Eisenbahnlinie und nicht zuletzt der rauschende Bach am Talboden nehmen das ganze Tal in Beschlag. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich hier irgendwo ein Winkelchen finden lässt, an dem nichts ausser Vogelgezwitscher, Hirschröhren oder einem sanften Wasserplätschern zu hören ist. Und gefährlich erscheint mir der Verkehr. Ich mache mir fast ein bisschen Sorgen um unseren Velofahrer.

 

In Andermatt beziehe ich ein Zimmer mit Blick auf die Mariahilf-Kapelle. Sie und die stattlichen Häuser, die es hier im Dorf stehen, erinnern einen daran, dass für die Urner der Verkehr nicht immer so eine grosse Plage war. Im Gegenteil, dass er zu anderen Zeiten ein Segen war. Ich kann mir zwar vorstellen, dass die Reise in den damals noch nicht mit Vollgummireifen und Federungen ausgestatteten Postkutschen ein ziemlich ungesundes Abenteuer war. Das hat aber auch kluge Köpfe wie Johann Wolfgang Goethe nicht davon abgehalten, sich anno 1775 das erste Mal auf eine Reise in die Schweiz zu begeben und sich ebenda, wo wir jetzt logieren, niederzulassen, um in weiser Voraussicht, dass hier einmal das Tapir Racing Team sitzen wird, Folgendes festzustellen: «In Andermatt fand sich der berühmte Urserner Käse und die exaltierten jungen Leute liessen sich einen leidlichen Wein trefflich schmecken, um ihr Behagen noch mehr zu erhöhen und ihren Projekten einen phantastischeren Schwung zu verleihen.» Eben. Und die Leiden des jungen A. haben für heute ein Ende.

 

Ob er die Silberdisteln auf der Klausenpasshöhe auch bemerkt habe. Nicht ich habe diese Frage dem erschöpften Rennfahrer beim Nachtessen gestellt, sondern Walo. Einen kleinen Erfolg kann also auch ich verzeichnen – obwohl, es waren keine Silberdisteln.