Kletter max.

Die Tour hat begonnen

«Heute fängt für mich die Tour de France erst so richtig an! Erstens weil heute der Galibier, mein Lieblingspass, auf dem Programm steht, und zweitens, weil heute erstmals Tour-de-France-Wetter ist.» Mit diesen salbungsvollen Worten eröffnet unser Directeur sportif die allmorgendliche Sitzung zur 6. Etappe der Glarus-Nice Challenge 2002. Im weiteren rät mir der Chef, dass ich heute angesichts der kilometermässig kurzen Etappe nicht in einen Hungerast fahren werde, aber dafür umso mehr trinken müsse. Ich hingegen empfehle ihm, die Karte genau zu studieren, immerhin gibt es heute zwei Möglichkeiten falsch zu fahren: erstens 50 m nach dem Hotel in St-Michel de Maurienne und zweitens auf dem Col du Lautaret. Dann geht’s los. Auf zur grossen Kletteretappe.

Wada ja!

Wenige Meter nach dem Start geht’s schon gäch opsi auf den Col du Telegraf (700 Höhenmeter). Ich fahre ein Stück in einer Gruppe von Rennfahrern, aber bald kann ich mich nicht mehr am Rad des Vordermannes halten. Die rasen los wie die Blöden. Ich bin da etwas vorsichtiger, denn es ist nicht einfach, seine Kräfte einzuteilen, wenn man eine Strecke nur von der Landkarte her kennt. Es ist tatsächlich warm. Nach 20 Minuten habe ich bereits den ersten Bidon leer. Aber es ist wesentlich angenehmer, in der Hitze zu fahren, als im Schneetreiben.

 

Nach dem Col du Telegraf geht’s dann fünf Kilometer leicht abwärts. Ideal zum Entspannen der Muskeln. Dann aber kommts wieder knüppelhart. Über tausend Höhenmeter über der Baumgrenze. Immerhin werde ich jetzt nicht mehr überholt, sondern rolle das «Feld» von hinten auf: Eine Frau (50), drei Grossväter (>60), dann noch eine Frau (150 kg) usw. Ganz am Schluss komme ich dann wirklich noch arg ins Schwitzen. Der letzte Kilometer vor dem Gipfel ist ein gepflegter 14%er, der einem den letzten Saft auspresst.

 

Oben auf den Gipfel ist dann schwer was los. Mehrere Dutzend Velofahrer. Eine traumhafte Aussicht auf beide Seiten des schmalen Grates. Blick auf die Uhr: 2 Stunden und 50 Minuten. Das sieht gut aus. Die Vorgabe des Directeur sportifs (max. 4 Stunden Fahrzeit für die gut 70 km von St-Michel nach Briançon) sollten locker eingehalten werden können. Also ab auf den Villiger, Rüssel runter und dann im Eilzugstempo talabwärts. Ab 50 km/h macht Velofahren so richtig Spass. Erst recht auf so gut ausgebauten Strassen. Einfach fräsen.

 

Nach 3:46 ist Briançon dann erreicht. Auch das Hotel ist schnell gefunden. Der Directeur ist zufrieden und gratuliert erstmals seinem Grimpeur. Ich hätte dem Direktorium auch gratuliert, aber ich werde mir diese Gratulation noch etwas aufsparen. Meine beiden Kombat-Tanten gestehen mir nämlich, dass sie sich schon auf dem Parkplatz in St-Michel verfahren haben: Statt die Abzweigung auf den Col du Telegraf zu nehmen, wurden sie abrupt von einem Sackgassenzeichen in der Tiefgarage gestoppt.

 

Statistisches: St-Michel de Maurienne – Col du Telegraf – Col du Galibier – Col du Lautaret – Briançon; 72 km in 3:46 (2100 Höhenmeter; Schnitt 19,1 km/h). Persönliche Ziele und Vorgaben des Directeur sportifs erfüllt.